Nasty

[FR]

- DAS WERK -

NIMM DIR ZEIT

TITEL: Prends ton temps [NIMM DIR ZEIT]

TECHNIK: SCHABLONENTECHNIK, SPRAY, MALEREI

ENTSTEHUNGSJAHR: 2019

STANDORT: Collège des Jeanneret

FLÄCHE: 25 m2

Die Kalligrafie von Nasty hat ihre Wurzeln im Rundgotisch, auch Rotunda genannt. Diese Grafie war hauptsächlich im Mittelalter im Süden Europas verbreitet. Durch die Vereinigung von mittelalterlicher Kalligrafie und Pop Art-Ästhetik wirkt das Graffiti wie das Produkt eines uralten Erbes, wie die Wiederkehr eines Stils, wie ein Anachronismus. Um diese elegante und zugleich strukturierte Typografie freihändig mit Spray aufzutragen, bedarf es der geschickten und gleichmässigen Technik, für die Nasty bekannt ist. Die mit rechteckigen Spraydüsen realisierten kunstvollen Buchstaben sehen aus, als wären sie mit Bandzugfedern geschrieben.

Bis in die 80er-Jahre hinein waren die Schulbänke in den Primar- und Sekundarschulen des Kantons Neuenburg noch mit Tintenfässern ausgestattet. Die Handschrift war somit eine echte Kunst, die sich die Schülerinnen und Schüler mit viel Geduld aneignen mussten. Hier galt es im ersten Schritt zu lernen, die Federn mit der richtigen Menge Tinte zu befüllen.

Die Schülerinnen und Schüler kannten zu dieser Zeit nicht nur die Angst vor dem leeren Blatt, sondern auch die Angst vor dem tintenbefleckten Blatt: schliesslich liess sich das Schreiben mit Feder und Tinte nicht an einem Tag erlernen. Vielmehr galt: Nur Übung macht den Meister.

Mag es auch nebensächlich und langweilig scheinen, ist es in Zeiten, in denen die Tastatur den Stift ersetzt, umso wichtiger, im Kindesalter eine schöne Handschrift zu erlernen, schult sie doch die Feinmotorik. Mit dem Erlernen der Handschrift werden nicht nur Geschicklichkeit, sondern auch Geduld und Ausdauer gefördert – zwei Eigenschaften, die unverzichtbar sind, wenn aufwändigere, länger andauernde Arbeiten zu erledigen sind.

Damit der Schaffens- und Forschungsprozess Freude bereitet, damit er ehrlich und unverfälscht ist, muss die Zeit häufig ausgeklammert werden, muss man sich dieses Gefühls der Dringlichkeit entledigen, das unsere utilitaristischen Werte und unsere produktivistische Lebensweise mit sich bringen.

Alles sofort haben wollen! Reaktiv, produktiv, wettbewerbsfähig, leistungsstark sein. Zapping. Fast Food. Speed-Dating. Ultra-High-Speed-Internet. Zeit gewinnen. Schneller und immer schneller! Ein Stress und eine Hektik, die den Kalligrafiemeistern und Buchmalern des Mittelalters und der Renaissance, aber auch den Pionieren der Uhrmacherkunst, die die Region berühmt gemacht haben, gänzlich unbekannt waren. Nasty hat sein Fresko daher «Prends ton temps», zu Deutsch «Nimm dir Zeit» getauft – eine Botschaft der Ruhe, die er den Schülerinnen und Schülern des Collège des Jeanneret vermitteln möchte.

Nasty hat durch das Übereinanderlegen von Buchstaben und Zahlen «Zeitblasen» geschaffen. Mit Transparenzeffekten gelingt es ihm, die Illusion von in Zeit und Raum schwebenden Sphären zu erzeugen. Lässt man seinen Blick über den Wirrwarr aus Formen schweifen, werden «unterschwellige» Inschriften sichtbar, darunter der Titel des Werkes.
© exomusée – Januar 2022 – Redaktion: François Balmer – Übersetzung: Proverb, Heiler & Co
Nasty

Collège des Jeanneret

- DER KÜNSTLER -

Nasty

1975 in Paris geboren, gehört der französisch-schweizerische Künstler Nasty zu den ersten Graffitikünstlern der französischen Hauptstadt, hat er doch schon mit 13 Jahren begonnen, Wände und U-Bahnen zu bemalen. Heute ist er einer der bekanntesten Graffitikünstler Frankreichs. Der Künstler, der die Kalligrafie virtuos beherrscht, ist der Einladung gefolgt, seine poetische Schrift an einer Mauer des Jeanneret-Schulgebäudes in der Uhrmacherstadt Le Locle zum Thema Zeit sprechen zu lassen.
© exomusée – Januar 2022 – Redaktion: François Balmer – Übersetzung: Proverb, Heiler & Co
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