James colomina

[FR]

- DIE WERKE -

DIE STRASSE ALS SCHLACHTFELD

TITEL: L'enfant gazé [KIND MIT GASMASKE]

TECHNIK: MODELLIERTECHNIK, KUNSTHARZ-GUSS

ENTSTEHUNGSJAHR: 2019

STANDORT: Rue du Pont 1

GRÖSSE: 150 x 65 x 65 cm

In der Schweiz zeigen die offiziellen Statistiken aus den Jahren 1980 bis 2020, dass sich der Automobilverkehr in vierzig Jahren verdoppelt hat. Da keine Trendumkehr in Sicht ist, werden überall neue Strassen, neue Brücken und neue Tunnel gebaut. Wie in vielen tagtäglich vom Pendlerverkehr verstopften Städten wird es auch in Le Locle Umgehungsstrassen geben – einschliesslich eines Tunnels. Die Bauarbeiten haben 2021 begonnen und werden 2030 abgeschlossen. Solange müssen sich die Fussgänger noch gedulden, bis sie «den städtischen Raum zurückerobern» können, wie man heutzutage so treffend sagt.

In manchen lauen Sommernächten trägt der Wind den Duft der umgebenden Natur bis ins Stadtzentrum von Le Locle. Dann duftet es nach frisch geschnittenem Heu und der holzige, erdige Geruch von Humus, den die Wälder an den Talhängen verströmen, liegt in der Luft. Wenn kein Motorengeräusch die Stille der Nacht stört und man die Augen schliesst, bekommt man einen Eindruck davon, wie die Luftqualität in der vorindustriellen Zeit gewesen sein muss, als diese kleine Stadt noch ein Dorf war. Doch es wäre naiv zu glauben, dass die Einwohner von Le Locle die gleiche Luft wie ihre Vorfahren atmen. Denn zu den Stosszeiten herrscht auf den Hauptverkehrsachsen der Stadt ein dichtes Gedränge von Autos und Lastwagen, die aus La Chaux-de-Fonds, dem Jura, dem Vallée de La Sagne, Val-de-Travers sowie natürlich aus dem benachbarten Frankreich kommen, das für die Versorgung mit qualifizierten Arbeitskräften so wichtig und für die lokale Wirtschaft unverzichtbar ist. Abgesehen von den Feiertagen sind deshalb tagtäglich etwa 26’000 Fahrzeuge auf den Strassen von Le Locle unterwegs. «Diese Zahl ist nicht nur in punkto Umweltverschmutzung erschreckend, sondern auch in punkto visuelle Belästigung und Lärmbelästigung», erklärt James Colomina. Daher hat der StreetArt-Künstler, den die Probleme der öffentlichen Gesundheit sehr beschäftigen, auch sofort zugesagt, als ihn das Exomusée darum bat, zwei seiner Plastiken – zwei Kinder mit Gasmaske – in der Stadt auszustellen, um auf das Verkehrsproblem in Le Locle aufmerksam zu machen.

Colomina hat seine Werke an höher gelegenen Orten platziert – eines auf einem Dach und eines auf einem Vordach – und zwingt uns so, nach oben zu schauen. Die Wahl dieser Orte ist hoch symbolisch. Figuren von Kindern am Rande eines Abgrunds signalisieren unweigerlich Gefahr und werfen die Frage auf, wie wir Erwachsene die Kinder schützen können. Auch wenn es «nur» Plastiken sind, kommt man doch nicht umhin, sich um das Wohl dieser Kinder zu sorgen – als könnten sie plötzlich zum Leben erwachen, eine falsche Bewegung machen und fallen, oder aber beschliessen, einen Schritt nach vorne zu machen, um vorzeitig eine Welt zu verlassen, die sie für unrettbar halten. «Kinder kommen völlig unbefangen zur Welt, sie kennen keine Gewalt. Mit meinen Werken möchte ich den Einfluss zeigen, den Erwachsene auf sie ausüben», erklärt der Künstler, der selbst Vater von zwei jungen Teenagern ist.

Weit oben auf ihren Dächern scheinen sich Colominas «Kinder mit Gasmaske» von der Gesellschaft entfernt zu haben. Als stünden sie abseits eines Systems, das sie vergessen oder verraten hat. Eine Welt, die sie beobachten und von der sie hoffen, dass sie einen Reinigungsprozess durchläuft, damit sie sich endlich ihrer Gasmasken entledigen können.

Die einfarbigen Figuren von James Colomina sind mit einem Lack überzogen, der als Isolierung und Schutz vor schädlichen Umwelteinflüssen dient. Das rote Kunstharz ist ein Markenzeichen des Künstlers. Seine leuchtend roten urbanen Plastiken wirken wie willkürlich im öffentlichen Raum platzierte Warnsignale. Die Figuren von James Colomina, die Opfer und zugleich Mahner sind, die die Bedrohungen, denen die Welt ausgesetzt ist, verkörpern und die sinnbildlich für eine Menschheit stehen, die es zu schützen gilt, sollen provozieren, ja sogar schockieren.

© exomusée – Januar 2022 – Redaktion: François Balmer – Übersetzung: Proverb, Heiler & Co

Rue du Pont 1

TITEL: Wonderland [WUNDERLAND]

TECHNIK: MODELLIERTECHNIK, KUNSTHARZ-GUSS

ENTSTEHUNGSJAHR: 2019

STANDORT: Alexis-marie-Piaget 18

GRÖSSE: 150 x 65 x 65 cm

Alexis-marie-Piaget 18

- DER KÜNSTLER -

James Colomina

James Colomina, der 1974 geboren wurde und aus Limoux im Département Aude stammt, spricht mit dem für Südfrankreich typischen melodischen Akzent. Der hochsensible Künstler, den Fragen wie das Konsumdenken, die Manipulation der Massen, die Unterdrückung von Kindern, Rassismus, Armut, das Schicksal von Migranten oder aber die Verschmutzung der Städte sehr beschäftigen, hat mit der Street-Art begonnen, um gegen Unverstand und Grausamkeit zu protestieren.

Durch das Erschaffen von Figuren, die die Ironie des menschlichen Daseins verkörpern, möchte James Colomina die Politiker aufrütteln, seine Mitmenschen zum Nachdenken anregen und provozieren, ja sogar schockieren, um Anstoss zu Debatten zu geben und Reaktionen hervorzurufen. Grundlage für die Plastiken von James Colomina, die Opfer und zugleich Mahner sind und sinnbildlich für eine Menschheit stehen, die es zu schützen gilt, sind Gussformen von menschlichen Körpern – von Erwachsenen und Kindern. In diese Formen giesst der Künstler dann ein medizinisches, mit Farbstoff versetztes Kunstharz. Die Entscheidung von James Colomina für die Arbeit mit Kunstharz ist seinem Beruf als Zahntechniker geschuldet, den er nach einer Verletzung aufgegeben hat. Nachdem er mit Weiss, Schwarz, Rosa, Neongrün, Blau und einem leuchtenden Gelb experimentiert hatte, entschied sich der Künstler schliesslich für Karminrot. Diese leuchtende Farbe sorgt nicht nur dafür, dass seine Werke auffallen, sie spricht auch die Gefühlsebene der Menschen an, verbindet man Rot doch mit Blut und Gewalt, aber auch mit der Liebe, denkt man an das Symbol vom roten Herzen.

James Colomina hat seine Werke in zahlreichen Städten ausgestellt, darunter Toulouse, Cannes, Paris, Monaco, London, Miami, New York. Wie viele andere Street-Art-Künstler mit internationalem Renommee ist auch James ein Autodidakt, dessen Arbeit dem Werk von Künstlern, die ein Kunststudium absolviert haben, qualitativ in nichts nachsteht. Sein künstlerischer Ansatz ist die Antithese eines opportunistischen und kommerziellen Ansatzes. Im Herzen ein Humanist, verdankt dieser aufgehende Stern am Street-Art-Himmel seine rasante Karriere seiner Arbeit, seinem Talent und seinem Mut.

James Colomina stellt seine Plastiken im öffentlichen Raum normalerweise – in typischer Street-Art-Manier – «unbefugt» aus, das heisst ohne eine Genehmigung einzuholen. In Le Locle wurden seine Plastiken jedoch mit dem Einverständnis der betreffenden Behörden und Eigentümer aufgestellt – ganz wie es die Charta des Exomusée verlangt. 2019, als der Künstler nach Le Locle kam, hat der Gemeinderat Miguel Perez, der damals Stadtpräsident war, bei der Installation der Werke geholfen. Er sieht diese leuchtend roten Figuren als «einen Fingerzeig, eine Erinnerung an den Kampf, den die Behörden um die Umgehungsstrasse von Le Locle und die Entlastung der Strassen geführt haben».

© exomusée – Januar 2022 – Redaktion: François Balmer – Übersetzung: Proverb, Heiler & Co
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