Ernest Biéler

[CH]

- DER KÜNSTLER -

AUSSERHALB DES PROGRAMMS

IN LE LOCLE GIBT ES NEBEN DEN AUF INITIATIVE DES EXOMUSÉE GESCHAFFENEN WERKEN AUCH MALEREIEN (NEU) ZU ENTDECKEN, DIE – DA IM ÖFFENTLICHEN RAUM ZU SEHEN – AUCH ALS STREET-ART BETRACHTET WERDEN KÖNNEN.
1863 in Rolle (VD) geboren, geht Ernest Biéler mit 17 Jahren nach Paris, um Kunst zu studieren. Zunächst stark vom Impressionismus beeinflusst, realisiert er ein erstes, von einem Aufenthalt im Wallis inspiriertes Meisterwerk (Pendant la messe à Saint-Germain en Savièse, 1886), das bei der Weltausstellung 1889 grossen Anklang findet. Um seinen Lebensunterhalt in der französischen Hauptstadt zu bestreiten, illustriert er Romane von Émile Zola, Alphonse Daudet oder auch Victor Hugo und nimmt auch Porträtaufträge an.

Im Jahr 1900 kehrt Biéler in die Schweiz zurück, lässt sich im Wallis nieder und trägt dort zur Weiterentwicklung der Schule von Savièse bei. Er geht immer mehr von der Öl- zur Temperamalerei über, die ihm die Entwicklung eines grafischeren Stils ermöglicht, und wendet sich dem Jugendstil zu.

Biéler ist Maler und Illustrator, macht sich aber auch mit Glasmalereien und Mosaiken einen Namen. Ab 1917 arbeitet er in einem sehr grossen Atelier in Monteiller (Lavaux), wo er grosse dekorative Arbeiten fertigt, die seinen Ruf festigen. Biéler schafft zahlreiche öffentliche, dekorative Werke, darunter Kirchenfenster (Saint-François, Lausanne; Saint-Martin, Vevey; Saint-Germain, Savièse), Marouflage-Deckengemälde (Victoria Hall in Genf; Theater von Bern) und Fresken (Musée Jenisch in Vevey; Saal des Grossen Rates in Sitten). Begeistert vom ursprünglichen, einfachen Wallis, wird er zu Lebzeiten oft als Künstler ohne Persönlichkeit wahrgenommen, da er sich den Avantgardisten seiner Zeit nicht anschliesst. Durch diese Haltung kann er seinen Stil jedoch an die verschiedenen dekorativen Arbeiten, mit denen er beauftragt wird, anpassen – und sie steht auch seiner Würdigung mit verschiedenen Auszeichnungen nicht im Wege. Als Kostüm- und Bühnenbildner für die Fête des Vignerons in Vevey 1927 – ein Fest, das nur alle 25 Jahre stattfindet – nimmt er heute einen ganz besonderen Platz unter den bedeutenden Schweizer Künstlern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein.

- DIE WERKE -

RATHAUSFASSADEN

TITEL:
Les hommes ont divisé le cours du soleil,
déterminé les heures [DER MENSCH HAT DEN LAUF DER SONNE UNTERTEILT UND DIE STUNDEN FESTGELEGT]

ENTSTEHUNGSJAHR: 1922

TECHNIK: Tempera

FLÄCHE: -

1922 fertigt Ernest Biéler auf der Ostfassade des Rathauses ein Fresko zur Symbolik der Zeit an. Darauf sind Berufsstände abgebildet, aber auch die Passionen und die verschiedenen Etappen des Lebens.

Im Vordergrund arbeiten zwei Astrologen mit einem Zirkel, der die exakten Wissenschaften symbolisiert. Dabei zeichnen sie mit der Spitze des Instruments den Lauf des Denkens, die Zeit und den Kreislauf des Lebens nach. Die Astrologen nehmen in der Komposition einen wichtigen Platz ein und erinnern daran, dass «die Zeit das bewegte Bild der Ewigkeit ist» (Platon).

Links der Gelehrten sind Spitzenstickerinnen zu sehen – ein Hinweis darauf, dass sich die Stadt – lange bevor die Uhrmacherei Einzug hielt – im 18. Jahrhundert mit der Spitzenmacherei einen Namen gemacht hatte. Daher auch der lokale Ausdruck: «Die Uhrmacherei ist aus der Spitze geboren».

Rechts von den Astrologen ist eine Frau mit einem Füllhorn als Symbol für die Uhrenindustrie und den damit verbundenen Reichtum abgebildet. Daneben holen Frauen die von einem an der Werkbank arbeitenden Uhrmacher gefertigten Stücke ab und bringen sie weg.

Der gleich einer Sonnenuhr als Kreisbogen gestaltete obere Teil der Komposition beherbergt gut dreissig Personen, die jeweils für eine Eigenschaft, eine Passion oder eine Wissenschaft stehen.
  • Die «Vergangenheit», verkörpert durch einen am Boden liegenden alten Mann, ist in den Falten des Kleides von der «Legende» gefangen, einer schönen Keltin mit blonden Zöpfen.
  • Die «Legende» verbeugt sich voller Ehrerbietung vor der «Geschichte».
  • Die «Geschichte» in Gestalt einer Schriftgelehrten, die Feder und Papier in der Hand hält und einen Lorbeerkranz trägt, schreibt die grosse Geschichte der Menschheit nieder und blickt dabei zur «Wahrheit».
  • Die «Wahrheit» ist nackt. Der Spiegel, den sie in Händen hält, soll uns daran erinnern, dass die Wahrheit, wie der Mensch sie begreift, subjektiv sein kann, da sie von unserem Ego und unserem Anthropozentrismus verzerrt ist.
  • Die «Reue» wird durch eine alte Frau verkörpert, die sich auf die Finger beisst und mit tiefer Bestürzung an ihre Taten und ihr nahendes Ende denkt.
  • Allein die «Ironie» scheint einen Ausweg zu bieten, den mit der Reue verbundenen Leiden zu entkommen.
  • Der völlig in sich gekehrte «Schmerz» vergräbt das Gesicht in seinen Händen.
  • Kaum sichtbar, versteckt sich die «Verschleierung» hinter zwei Masken, eine fröhlich, die andere ernst. Spiegelt sich hierin vielleicht eine Welt, die komisch und tragisch zugleich ist und in der wir unser «Ich» verschleiern müssen?
  • Die «Harmonie» wird von einer Harfenspielerin dargestellt. Bei der Harfe, die für das Gleichgewicht der Gesellschaft und der Persönlichkeit steht, müssen die Saiten (Stofflichkeit) präzise gestimmt werden, sie müssen aber auch schwingen (Spiritualität).
  • Die «Wachsamkeit» hat ihren Blick einer Öllampe zugewandt, deren Flamme sie mit der Hand schützt.
  • Die «Eitelkeit» wird von einer mit Schmuck behangenen Frau verkörpert. Ihr Haar und ihr Kleid sind rot – die Farbe der «Flammen der Hölle, der Leidenschaft und der Manie, die die Menschen verzehren».
  • Die «Grosszügigkeit» trägt Weintrauben, die Frucht der Weinreben und ein wahres Geschenk von Mutter Erde.
  • Etwas versteckt im Hintergrund, besitzt die «Armut» die Schlüssel für die spirituelle und himmlische Initiation. Sie stellt den Beginn dar und ist nie weit von ihrem Gegenstück, dem «Reichtum», entfernt.
  • Der materielle «Reichtum» bewundert den Inhalt eines Schmuckkästchens.
  • Die «Gerechtigkeit» trägt eine Augenbinde als Symbol für die Unparteilichkeit. In der linken Hand hält sie die Waage, die die Argumente abwägt und zu einem Gleichgewicht findet. Mit der rechten Hand drückt sie das Richtschwert an ihr Herz.
  • Die «Vorsicht» hält eine Sanduhr in Händen, die die Zeit misst und sie gleichzeitig bewahrt. Darauf ausgelegt, umgedreht zu werden, steht die Sanduhr für die Wahl, die wir haben, und aufgrund der Enge ihres Durchlasses auch für das Feingefühl.
  • In der Mitte hat die «Anrufung» Augen und Hände gen Himmel gerichtet.
  • Die «Ernsthaftigkeit» hält sich mit der rechten Hand die Augen zu. Mit der linken Hand hält sie andere Menschen auf Abstand.
  • Die «Zwietracht» hält in einer Hand eine Schlange und in der anderen eine Geissel.
  • Die «Jugend» greift nach einem Pfau, Symbol für den äusseren Schein, aber auch für die Leichtigkeit. Unter ihrem Kleid zeichnet sich ihr nackter Körper ab.
  • Die «Freundschaft» wird von zwei sich umarmenden Frauen verkörpert, die diskret und sehr vertraut erscheinen.
  • Die «Verzweiflung» legt die Hände um den Mund, damit ihre Stimme noch weiter getragen wird.
  • Mit ihrer Frisur und ihrem Aussehen beschäftigt, wendet die «Gefallsucht» dem Betrachter den Rücken zu.
  • Die «Weisheit» hat eine Eule zum Freund, die sinnbildlich für Athen und die Philosophie («Liebe zur Weisheit») steht. Dieser ruhige, leise, nachtaktive Vogel kann auch in der Dunkelheit (Obskurantismus) hervorragend sehen (Wissen).
  • Rechts neben der «Weisheit» blicken sich zwei Frauen an. Die Frau im Vordergrund hält ein Winkelmass in Händen. (Steht der Zirkel für die Bestimmung der Zeit, so steht das Winkelmass für Ernest Biéler für die «Festlegung des Raums».) Versetzt dahinter hält ihre Verbündete eine Schriftrolle und einen Globus in Händen (als Zeichen ihrer Herrschaft über das gesamte Universum).
  • Das «Schweigen» legt zwei Finger auf den Mund, darauf bedacht, das in den Armen der «Mütterlichkeit» schlafende Baby nicht zu wecken.
  • Die «Mütterlichkeit» ist ganz ihrem Kind zugewandt.
  • Von weissen Lilien, dem Symbol für Unschuld und reine Liebe, umgeben, versteckt die «Jungfräulichkeit» keusch ihr Gesicht.
  • Die «Hoffnung» zeigt auf das Himmelszelt und weist damit der «Zukunft» den Weg.
  • Die «Zukunft» wird von einem Kind mit einem Blumenkranz im Haar verkörpert.
Dieses von Ernest Biéler im Zeitraum vom 27. Juni bis 17. August 1922 geschaffene Fresko wurde 1988 von der Restaurationswerkstatt M. Stähli in Auvernier restauriert.

TITEL: La Paix [DER FRIEDE]

ENTSTEHUNGSJAHR: 1932

TECHNIK: MOSAIK

FLÄCHE: -

La Paix [Der Friede]
1932 bringt Ernest Biéler an der Westfassade des Rathauses ein monumentales Mosaik mit dem Titel «La Paix» («Der Friede») an. Darauf hält eine Gottheit mit Flügeln einen Olivenzweig in der Hand.

Aufgrund der Uhrenkrise (1929-1933) wurde das Werk hauptsächlich über die «Fondation d‘embellissement» («Stiftung für Stadtverschönerung») finanziert.

Col 27

PRINT

Um den Inhalt der Seite auszudrucken, klicken Sie bitte auf das Druckersymbol.

- Das exo -​

im Netz

Folgen Sie uns auf Facebook, Instagram und YouTube! Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!