Codex Urbanus

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- DIE WERKE -

MECHANISCHE CHIMÄREN

TITEL: Chimères mécaniques (MECHANISCHE CHIMÄREN)

TECHNIK: SPRAY UND MARKER

ENTSTEHUNGSJAHR: 2019

STANDORT: Place Jules Grossmann

FLÄCHE: ≈ 20 m2

Erklärungen und Analysen der Werke werden im Rahmen von Führungen gegeben. >>> Link zum Anmeldeformular
Codex Urbanus, der seine Fabelwesen gewöhnlich in Alla-Prima-Technik illegal im öffentlichen Raum anbringt, ist der Einladung des Exomusée gefolgt, Figuren zum Thema Uhrmacherkunst zu kreieren. Inspiriert vom sozio-historischen Kontext der Stadt sind aus der Hand des Künstlers in aller Öffentlichkeit sechs kleine Chimären geboren, die er in die Obhut der Einwohnerinnen und Einwohner von Le Locle, genauer in die Obhut der auf dem Platz Jules Grossmann spielenden Kinder gegeben hat. Und das ganz legal, nach den Regeln des Exomusée. Diese freundlichen Kreaturen (die Chimären, nicht die Kinder) mussten das raue Klima der Neuenburger Berge nicht fürchten, sind sie doch mechanisch – gleich den wundersamen Automaten, die direkt dem rastlosen Geist (und der Werkstatt) der nach anderen Zielen als der Erfindung von Zeitmessgeräten strebenden Uhrmacher wie Pierre und Henri-Louis Jaquet-Droz, Jean-Frédéric Leschot oder – unserer Zeit näher – des zeitgenössischen Künstlers François Junod entsprangen.

«Die unglaubliche biologische Vielfalt unseres Planeten, die meine Fantasie beflügelt, ist sie auch das Ergebnis der Arbeit eines Grossen Uhrmachers des Universums?» fragt sich der Künstler, der Agnostiker ist und gerne Metaphern verwendet. Codex Urbanus stellt folgenden Vergleich an: «Die Pflanzen, die Tiere, die Menschen – sind sie nicht in gewisser Weise ausgeklügelte organische, über Hormone gesteuerte Mechaniken, die mehr oder weniger glückreich und elegant versuchen, sich in Zeit und Raum zu bewegen?

Während der Transhumanismus und die künstliche Intelligenz der neue Heilige Gral sind, mutet die gegenseitige Durchdringung der biologischen und der mechanischen Welt wie eine schreckliche Kreuzung auf der Einbahnstrasse an, auf der das menschliche Abenteuer entlangführt. Erleben wir die wissenschaftliche und zeitgenössische Version des Mythos von Frankenstein, dieses 1818 von Mary Shelley erdachten «modernen Prometheus»? Victor Frankenstein, ein Schweizer Gelehrter und ebenfalls ziemlich verrückt, erbaut eine Mechanik aus Fleisch und haucht ihr Leben ein, wodurch sein Schicksal untrennbar mit dem seiner Kreatur verbunden sein wird. Geht der Mensch, da er zu sehr «Uhrmacher» sein will und mittels Nanotechnologie und Gentechnik mit der Materie und dem Leben experimentiert und da er – gottgleich – versucht, intelligente Maschinen zu schaffen, dieses Mal nicht den einen Schritt zu weit? Wird ihm seine Neugier zum Verhängnis werden? An der Nordwestseite des Kinder-Spielhauses ist die Stadt Le Locle vor äusseren Angriffen geschützt, ruht sie doch im durchsichtigen Bauch des mechanischen Wesens, das sie zu ihrem Schicksal führt. Sie ist in goldener Farbe gehalten, da Le Locle in den Augen des Künstlers ein Schatz ist.

Auf dem Fresko auf der Rückseite des Spielhauses ist ein mechanischer Dinosaurier mit der traurigen Erinnerung an all die Tiere konfrontiert, die durch das direkte oder indirekte Wirken des Menschen verschwunden sind. Sieht er vielleicht den Zusammenhang, den es zwischen seiner Existenz und diesem Massaker gibt? Codex Urbanus ist überzeugt, dass uns die Fantasie hilft, Antworten auf philosophische und ethische Fragen zu finden, die sich angesichts bestimmter wissenschaftlicher «Fortschritte» stellen. Mit diesen wunderlichen mechanischen Chimären, die der Künstler die Mauern von Le Locle entlanglaufen lässt, bringt er uns zum Nachdenken – über unseren unstillbaren Wissensdurst, unseren Wunsch, die Zeit zu beherrschen, und die Art und Weise, wie wir die Mysterien dieser Welt begreifen.
© exomusée – Januar 2022 – Redaktion: François Balmer – Übersetzung: Proverb, Heiler & Co

Place Jules Grossmann

- DER KÜNSTLER -

Codex urbanus

Codex Urbanus malt seine Fabelwesen im Schutz der Dunkelheit in Alla-Prima-Technik an die Wände. In einem Jahrzehnt sind bereits über 600 dieser Kreaturen durch die Strassen von Montmartre gezogen – stets nach Massgabe der Reinigungsaktionen der Stadt Paris. Parallel dazu nimmt er an vielen Festivals teil und stellt einmal im Jahr an unerwarteten Orten aus, wie beispielsweise im Museum Gustave Moreau, bei der Visite Publique des Egouts oder kürzlich im Schloss Malmaison. Zudem ist er Autor mehrerer Bücher zum Thema Street-Art, darunter ein Essay über die Gründe für die plötzliche Entstehung dieser Bewegung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (« Pourquoi l’art est dans la rue? », Critères Editions, 2018).
© exomusée – Januar 2022 – Redaktion: François Balmer – Übersetzung: Proverb, Heiler & Co
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